Rezension von Christoph Strünck (Universität Siegen)
Kolfhaus, Stephan A. 2020. Verbraucherpolitik in Deutschland und der Europäischen Union – eine Einführung. Düren: Shaker.
Umfang: 212 Seiten | ISBN-Print 978-3-8440-7457-4 | Preis Print: 24,80 EUR | Preis E-Book: 6,20 EUR | Inhaltsverzeichnis
Die Verbraucherpolitik und ihre Grundlagen sind für Studierende ganz unterschiedlicher Fachrichtungen relevant: für die Wirtschaftswissenschaften, für die Rechtswissenschaften, für Sozialwissenschaften, für Psychologie, aber auch für speziellere Fachrichtungen wie Ernährungswissenschaften oder Gerontologie. Angesichts der unterschiedlichen Curricula ist es nicht leicht, ein Lehrbuch zu schreiben, das kompakt ist und gleichzeitig den Interessen der unterschiedlichsten Studierenden gerecht wird und auch an Schulen eingesetzt werden kann. Stephan A. Kolfhaus ist das gut gelungen mit seinem Buch "Verbraucherpolitik in Deutschland und der Europäischen Union – eine Einführung". Er konzentriert sich auf wesentliche Fragen und Facetten des Themas und bietet damit ein hilfreiches und anregendes Kompendium.
Eingeteilt ist sein Werk in Abschnitte zu wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, zur Entwicklung der Verbraucherpolitik, zu Organisationen und Aufgaben in der Verbraucherpolitik und letztlich einem Ausblick auf die digitale Welt. Die europäische Dimension taucht insbesondere bei der Frage des Binnenmarktes auf, aber auch in den Kapiteln zum europäischen Verbraucherschutz und Verbraucherrecht. Eingestreut sind immer wieder Beispiele in abgesetzten Kästen, wie das Verbraucherinformationsgesetz oder das Konzept der "Marktwächter".
Klassische Linie
Zum Auftakt unternimmt der Verfasser erst einmal einen Ausflug in die Wirtschaftsordnung, national wie europäisch. Stephan Kolfhaus verfolgt eine klassische Linie, indem er die soziale Marktwirtschaft als normativen und wirtschaftspolitischen Bezugspunkt für die Verbraucherpolitik sieht und sich damit auf Wettbewerb und Konsumfreiheit konzentriert. Etwas zu kurz kommen in diesem Kontext kritische Ansätze, die Konsum in seiner gesellschaftlichen Verantwortung sehen. Den Studierenden fehlt dadurch leider der intellektuell anregende Kontrast zu ordoliberalen oder informationsökonomischen Ansätzen der Verbraucherpolitik.
Allerdings folgen den ersten Kapiteln auch einige Exkurse zur Unternehmensethik und Wirtschaftsethik. Hier hätte der „ethische Konsum“ als komplementäres Gegenstück zur unternehmerischen Verantwortung ergänzt werden können. Diese Diskussion erwähnt der Verfasser allerdings später bei den Verbraucherleitbildern, wo es unter anderem auch um "verantwortungsvolle" Verbraucherinnen und Verbraucher geht.
Verdienstvoll ist, dass der Verfasser im zweiten Kapitel die Verbraucherpolitik als kurze Geschichte sozialer Bewegungen und Initiativen erzählt, ergänzt um neuere Ansätze in der Verbraucherforschung. Dadurch wird sichtbar, dass sich Verbraucherpolitik dynamisch „von unten“ entwickelt hat und es alternative Ansätze und Konzepte gibt. Ausführlich beschäftigt sich der Verfasser mit den verschiedenen wissenschaftlichen Paradigmen, bis hin zu neueren Entwicklungen in der Verhaltensökonomik.
Konzentration auf die institutionellen Grundlagen
Leider werden diese alternativen Ansätze später nicht noch einmal aufgegriffen. Im Kapitel über die nach wie vor wichtige Stiftung Warentest hätte man hier zum Beispiel die Grenzen eines informationsökonomischen Modells von Verbraucherschutz sichtbar machen können. Nur die Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern zu verringern, reicht angesichts von Machtasymmetrien in komplexen Märkten und eingeschliffenen Gewohnheiten eben nicht aus. Auch greifen tradierte Ansätze der Wettbewerbspolitik zu kurz, die in erster Linie unternehmerische Freiheiten garantieren sollen. Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass in der neuen Medienwelt die Reputation von Unternehmen und Produkten auch leicht zu Unrecht beschädigt werden kann. Gleiches gilt für Verbraucherdesinformation und Vertrauensfallen in der digitalen Welt. Solche kritischen Entwicklungen werden im Buch eher sporadisch erwähnt, da sich der Verfasser mehr auf die institutionellen Grundlagen konzentriert.
Dem rechtlichen Verbraucherschutz und der Verbraucherbildung werden weitere Unterkapitel gewidmet. Beim Kapitel zur Neuorganisation des Verbraucherschutzes konzentriert sich der Verfasser auf die Verbraucherverbände und die Verortung des Verbraucherschutzes in den verschiedenen Ministerien und Behörden. Was fehlt, sind einige Passagen zu Regulierungsbehörden wie der BaFin oder dem Bundeskartellamt, die inzwischen ein zusätzliches Mandat für Belange des Verbraucherschutzes bekommen haben.
Besonders instruktiv ist das Kapitel zu Verbraucherorganisationen. Es wird deutlich, wie schwierig die Vertretung kollektiver Interessen ist, wenn das Interesse so allgemein ist wie im Fall der Verbraucher-Rolle. Die meisten verhalten sich hier ohnehin wie Trittbrettfahrer, da wirksamer Verbraucher-Lobbyismus automatisch allen zugutekommt. Der Verfasser beschäftigt sich nicht nur mit den bekannten Stellvertreter-Organisationen wie den Verbraucherzentralen oder der Stiftung Warentest. Er geht auch auf andere Lobby-Verbände wie Foodwatch oder Greenpeace ein, die ebenfalls die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern (mit-)vertreten.
Blick in die digitale Zukunft
Zu Recht blickt Stephan Kolfhaus am Schluss in die digitale Zukunft der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das betrifft nicht nur den digitalen Konsum selbst. Der Verfasser fragt danach, wie zukünftig die Information, (Selbst-)Organisation, Mobilisierung und Vernetzung von Verbraucherinnen und Verbrauchern stattfinden wird. Er weist darauf hin, dass sich die Rolle von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der digitalen Welt verändert: Wir werden nicht nur nach Informationen suchen, sondern immer stärker auch selbst anbieten und mit anderen teilen. Die Digitalisierung treibt einen umfassenden Transformationsprozess an, der die Verbraucherpolitik verändern wird.
Wer sich über Grundlagen und Entwicklungen der Verbraucherpolitik einen Überblick verschaffen möchte, ist mit dem gut lesbaren Buch von Stephan Kolfhaus bestens bedient. Nach jedem Kapitel hat der Verfasser ausführliche Hinweise auf Quellen und Literatur aufgelistet; zahlreiche Abbildungen und Informationstafeln lockern den Text auf. Ein Lehrbuch im klassischen Sinne ist es nicht, dafür fehlen Lernziele, Kontrollfragen und andere Formate. Aber kompakte Einführungen in die Verbraucherpolitik gibt es bislang so gut wie keine. Diese Lücke füllt Stephan Kolfhaus mit seinem Buch.
Empfohlene Zitierweise | Strünck, Christoph. 2021. Konzentriert auf die wesentlichen Fragen (Rezension). Re: Neuerscheinung (Kompetenzzentrum Verbraucherforschung NRW). 30. August. https://www.verbraucherforschung.nrw/kvf-re-neuerscheinung/konzentriert-auf-die-wesentlichen-fragen-struenck-rezension-kolfhaus-verbraucherpolitik-in-deutschland-und-der-europaeischen-union-64337.
Die Abbildung des Buchcovers erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Die Rezension gibt die Meinung des Autors wieder und muss nicht mit den Meinungen und Positionen des KVF NRW und der Verbraucherzentrale NRW e. V. übereinstimmen.