Ergebnisse des Forschungsprojekts „Nachhaltigkeitsbewertung partizipativer Produktionskonzepte und Entwicklung eines qualitativen Bewertungs-Tools auf der Basis von Zufriedenheit“
Wiltrud Terlau, Wolf Lorleberg, Nicolas Fuchshofen, Darya Hirsch, Monika Rönn und Zoe Heuschkel
Im Projekt wurden die Nachhaltigkeitspotentiale partizipativer landwirtschaftlicher Produktionskonzepte exemplarisch untersucht und der Versuch gemacht, deren Zufriedenheitspotential für Erzeuger und Bürger zu erfassen. Die landwirtschaftlichen Betriebe konnten dabei auf der Grundlage der Leitlinien der Sustainability Assessment of Food and Agriculture (SAFA) in den Dimensionen gute Unternehmensführung, ökologische Integrität, ökonomische Resilienz und soziales Wohlergehen bewertet werden. Die einzelnen Ergebnisse sind nach Dimensionen und korrespondierenden Indikatoren in diesem Working Paper beschrieben. Zudem konnten Handlungsempfehlungen auch dazu erarbeitet werden, wie Untersuchungen anhand der SAFA-Leitlinien erfolgreich durchgeführt werden können.
Problem und Fragestellung
Ziel war es, die Nachhaltigkeitspotentiale partizipativer Produktionskonzepte an ausgewählten Beispielen der NRW-Landwirtschaft aufzuzeigen und deren Zufriedenheitspotential für Betriebe und Bürger zu erfassen. Die Betriebe wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Sustainability Assessment of Food and Agriculture (SAFA) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bewertet.
Durchführung
Im Projektzeitraum wurden 21 partizipativ wirtschaftende Betriebe (Mietgärten, Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi), Selbsterntegärten und gemeinschaftliche Finanzierung (Regionalwert AG)) identifiziert, die für eine Untersuchung in Frage kamen. Es konnten acht Betriebe gewonnen werden, an begleiteten studentischen Besuchen und Abschlussarbeiten teilzunehmen und Unternehmensdaten zur Verfügung zu stellen. Die Besuche bestanden aus Treffen unter Begleitung des Betreuers sowie der Durchführung der SAFA-Analyse. Die Ergebnisse haben Eingang in die Abschlussarbeiten der Studenten und, sofern sie mit ausreichenden inhaltlichen Kommentierungen versehen waren (n = 5), ins Projekt gefunden.
Ergebnisse
Im Folgenden wird die Bewertung der vier Dimensionen, ökologische Integrität, ökonomische Resilienz, soziales Wohlergehens sowie gute Unternehmensführung, anhand des am besten und am schlechtesten bewerteten Unterthemas dargestellt.
Die Dimension der ökologischen Integrität besteht aus sechs Oberthemen (Atmosphäre, Wasser, Land, Biodiversität, Material und Energie sowie Tierwohl) und 14 Unterthemen. Den im Vergleich besten Wert erzielte die Bodenqualität. Besonders positiv wurden Fruchtfolgen, minimale Bodenbearbeitung, gute pH-Werte, Schutzvorrichtungen gegen Wind (Hecken) und Erosion (Mulch) sowie guter Humusaufbau bewertet. Zudem nutzen bereits einige Betriebe erneuerbare Energien. Der Maschineneinsatz ist in der Regel gering, während die Transportwege auf Grund der üblichen Direktvermarktung kurz sind. Die Waren gehen mit wenigen Ausnahmen nicht den Umweg über Zwischenhändler oder den Lebensmitteleinzelhandel.
Die Dimension der ökonomischen Resilienz besteht aus vier Oberthemen (Investitionen, Vulnerabilität (Anfälligkeit), Produktqualität und -information und lokale Wirtschaft) und 14 Unterthemen. Der von den untersuchten Betrieben versorgte Markt weißt eine relativ hohe Stabilität auf, die auf einen großen Stamm an Kunden (bzw. Mieter einer Parzelle oder Besitzer eines Anteils) zurückzuführen ist. Fällt ein Kunde aus, so ist die Unternehmung nicht gefährdet. Zudem wird versucht, an weitere Abnehmer (z. B. Großmärkte) zu verkaufen, insbesondere dann, wenn häufig nachgefragte Produkte zur Verfügung stehen, die nicht vom Kundenstamm verwertet werden. Aus verschiedenen Gründen wird auf lokale oder regionale Zulieferer zurückgegriffen. Dabei kann es um Nähe zum Lieferanten, aber auch um kurze Transportwege gehen. Im Risikomanagement bestimmt neben Versicherungen gegen Elementarschäden die Länge der Vertragsverhältnisse mit Mietern oder Pächtern den Planungshorizont.
Die Dimension des sozialen Wohlergehens besteht aus sechs Oberthemen (angemessene Lebensgrundlage, faire Handelspraktiken, Arbeitnehmerrechte, Gerechtigkeit, Sicherheit und Gesundheit und kulturelle Vielfalt) und 16 Unterthemen. In vielen Unterthemen (z. B. Nichtdiskriminierung oder öffentliches Gesundheitswesen) wurden die untersuchten Betriebe als sehr gut bewertet. Das Ziel der Nichtdiskriminierung wird beispielsweise durch gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Mitgliedschaften, unabhängig vom Alter und finanzieller Lage, verfolgt. Es werden diverse kulturelle Veranstaltungen für das Personal angeboten, um benachteiligte Gruppen zu integrieren. Die Betriebe tragen durch ihre ökologische Wirtschaftsweise zum lokalen Umweltschutz und zur Gesundheit der lokalen Gemeinschaft bei. Kritik wurde zu fehlenden schriftlichen Verträgen mit Lieferanten und in manchen Fällen zum fehlenden Kontakt zu Rohstofflieferanten geäußert. In Bezug auf die Beschäftigungsverhältnisse wurden fehlende Absicherungen durch Arbeitsverträge (z. B. der Feldhelfer), kein regelmäßiges Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten sowie keine Wahrnehmung von Weiterbildungsmöglichkeiten bemängelt.
Neben den bestehenden Indikatoren wurden im Laufe der Bewertung und Analyse zwei neue, für die Bewertung partizipativ wirtschaftender Betriebe, passende, vorgeschlagen:
- „Unterstützung von finanziell benachteiligten Stakeholdern“ im Unterthema „Gleichstellung“,
- „Aufrechterhaltung von Traditionen“ im Unterthema „Indigenes Wissen“.
Der Indikator „Indigenes Wissen“ wurde so angepasst, dass inhaltlich nun der Schutz vor dem Verlust alten Wissens im Mittelpunkt steht, worunter auch das Wissen über den Anbau von Gemüse fällt.
Die Dimension der guten Unternehmensführung besteht aus fünf Oberthemen (Unternehmensethik, Rechenschaft, Partizipation, Rechtsstaatlichkeit und ganzheitliches Management) sowie 14 Unterthemen. Relativ hohe Bewertungen haben die Unternehmensleitlinien und die Konfliktlösung, gefolgt vom Dialog mit Interessengruppen und Verantwortung, erhalten. In den meisten untersuchten Betrieben sind die entsprechenden Leitlinien (z. B. biologisch-dynamisch) und deren Hauptziele auf der jeweiligen Webseite verschriftlicht und es werden Flyer mit den Grundprinzipien zur Verfügung gestellt. Zudem wurde berichtet, dass Konflikte vor Ort und in gemeinsamer und respektvoller Kommunikation gelöst werden. Die Betriebe sind jeweils als Bio-Betriebe zertifiziert und ihre Nachhaltigkeit in der ökologischen Dimension durch externe Audits belegt. Kritisiert wurde insbesondere, dass keiner der untersuchten Betriebe einen international anerkannten Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verwendet.
Fazit
Die Verbraucher sollen als aktive Mitgestalter von Produktionsprozessen ihre Kompetenzen in Bezug auf Nachhaltigkeitsbewertungen stärken. Eine SAFA-Analyse liefert ihnen Erkenntnisse über die Nachhaltigkeitsleistung in den einzelnen Dimensionen des Betriebs. Diese Nachhaltigkeitsbewertung dient zudem als transparentes Kommunikationsmittel zwischen Betrieb und Kunde, das gleichzeitig Potenziale für eine höhere Nachhaltigkeitsleistung offenlegt.
Die Nachhaltigkeitsbewertung nach SAFA ist ein niederschwelliges Tool, das es den Betrieben ermöglicht, ihre aktuelle Nachhaltigkeitsleistung selbst zu messen. Allerdings könnten die Datenanforderungen sowie die Sprachbarriere (das Tool liegt in englischer Sprache vor) kleinbäuerliche Betriebe vor Probleme stellen. Weiterhin sind die Messung und die Interpretation der Ergebnisse komplex. So ist die Leistung in der ökologischen Dimension häufig schwer in Zahlen auszudrücken, sofern es sich nicht um Indikatoren (wie Energieverbrauch) handelt, die leicht zu erfassen sind. Weiterhin hat der einzelne Auditor im Bereich der sozialen Dimension großen Spielraum bei der Beurteilung des erreichten Niveaus. Nichtsdestotrotz bietet das SAFA-Tool einen guten Überblick über die betriebliche Nachhaltigkeit. Es verbessert den Zugang der Verbraucher zu Informationen und trägt dazu bei, ein Bewusstsein für die Vorteile nachhaltiger Lebensmittelproduktion zu schaffen. Es braucht jedoch geeignete Rahmenbedingungen, um die Akteure zu unterstützen. Dazu können bessere Möglichkeiten, sich als Verbraucher unabhängig und umfassend beraten zu lassen (z. B. durch Verbraucherzentralen), gehören.
Autorinnen und Autoren: Prof. Dr. Wiltrud Terlau; Projektleitung, Direktorin, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE), Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) | Prof. Dr. Wolf Lorleberg; Professur für Agrarökonomie, Fachhochschule Südwestfalen (FH-SWF) | Nicolas Fuchshofen, M. Sc.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE), Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) | Dr. Darya Hirsch; Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE), Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) | Monika Rönn; Obsthof Rönn, Meckenheim | Zoe Heuschkel; Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachhochschule Südwestfalen (FH-SWF)
Förderhinweis: Dieses Forschungsprojekt wurde durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Kompetenzzentrums Verbraucherforschung (KVF NRW) gefördert. Das KVF NRW ist ein Kooperationsprojekt der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V. mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen.
Stichworte: Standard-Thesaurus Wirtschaft (STW): Agrarökonomik, Bodenwirtschaft, Landwirtschaft, Mitbestimmung, Nachhaltigkeit, Partizipation, Solidarität, Zufriedenheit | Thesaurus Sozialwissenschaften (TheSoz): Agrarökonomie, Bodennutzung, Landwirtschaft, landwirtschaftliche Produktion, Mitbestimmung, Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsmanagement, Partizipation, Produktions-konzept, Solidarität, Zufriedenheit
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