Kosten strukturierter Finanzprodukte im Lichte des Anlegerschutzes zehn Jahre nach der Finanzkrise – Sind die Informationen der Banken objektiv, transparent und vergleichbar?
Prof. Dr. Rainer Baule (FernUniversität Hagen)
Die unverzerrte und objektive Information von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern über Funktionsweise, Risiken und Kosten von Finanzanlageprodukten ist spätestens seit der Finanzkrise von 2007/08 ein zentrales Anliegen des Verbraucherschutzes. Dies ist auch Gegenstand der zu Beginn des Jahres 2018 EU-weit in Kraft getretenen so genannten "PRIIPs-Verordnung" ("Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für und Versicherungsanlageprodukte"), welche die Erstellung eines verpflichtenden Kurz-Dokuments zur Beschreibung eines Finanzprodukts regelt. Ein zentrales Anliegen dieser Regulierungsmaßnahme war dabei die Kostentransparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher: Anbietende Banken werden verpflichtet, die für den Kleinanlegerinnen und Kleinanleger entstehenden (mitunter versteckten) Kosten offenzulegen. Das Forschungsprojekt untersucht, inwieweit dieses regulatorische Ziel erreicht und tatsächlich ein Mehrwert für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger hinsichtlich Information und Vergleichbarkeit der Kostenstruktur von Finanzprodukten geschaffen wird. Dabei steht das Marktsegment der strukturierten Finanzprodukte im Mittelpunkt.
Strukturierte Finanzprodukte sind Investitionsobjekte, deren Rückzahlung von der Wertentwicklung eines oder mehrerer Basiswerte(s) wie etwa Aktien, Währungen oder Rohstoffe abhängt. Insbesondere in Deutschland werden derartige Produkte häufig unter dem Begriff "Zertifikate" explizit für kleine private Anlegerinnen und Anleger angeboten und erfreuen sich großer Beliebtheit. In der Vergangenheit standen das Marktsegment als Ganzes und die anbietenden Banken immer wieder in der Kritik insbesondere von Verbraucherschützern. Kritisiert wurden die für Privatanlegerinnen und Privatanleger teilweise kaum durchschaubare Komplexität der Produkte, die undurchsichtige Preisstellung und Kostenstruktur sowie mangelhafte bis hin zu irreführender Information in Verkaufsprospekten und Angebotsbroschüren. Die PRIIPs-Verordnung hat diese Kritik aufgegriffen und einen EU-weiten Standard zur Verbraucherinformation definiert.
Der Verordnung zufolge müssen anbietende Banken ihren Kundinnen und Kunden ein "Basisinformationsblatt" zur Verfügung stellen, welches auf maximal drei Seiten die wesentlichen Informationen über das Produkt enthält. Hierzu zählen insbesondere auch die (verdeckten) Einstiegskosten, welche die von den Emittenten erzielte Gewinnmarge beinhalten. In Deutschland ersetzen die Basisinformationsblätter die vorher im Rahmen einer freiwilligen Selbstregulierung seitens der Finanzbranche herausgegebenen Produktinformationsblätter. Die im Deutschen Derivate Verband zusammengeschlossenen Banken hatten sich im November 2013 zu einem "Fairness Kodex" bekannt. Zentraler Bestandteil dieser Selbstverpflichtung war die Einführung des "Issuer Estimated Value", anhand dessen Anlegerinnen und Anleger seine Einstiegskosten zwar nicht direkt ablesen, durch Vergleich mit dem Angebotspreis aber relativ einfach indirekt ermitteln konnte. Allerdings waren die Vorgaben zum Ausweis des IEV nicht eindeutig formuliert und erlaubten den Banken einen Ermessensspielraum. Der Nutzen für den Verbraucherinnen und Verbraucher wurde so verwässert. Im Rahmen des Forschungsprojekts soll untersucht werden, inwieweit die externe Regulierung besser in der Lage ist, den Zielen des Verbraucherschutzes hinsichtlich einer Kostentransparenz von strukturierten Finanzprodukten Rechnung zu tragen.
Umsetzung der Honorarberatung in Deutschland – Bestandsaufnahme und Blick in die Zukunft
Prof. Dr. Stephan Paul und Fabian Schmitz (ikf° Institut für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum)
Nach einer Schätzung von Oehler (2012) entstehen den Deutschen jährlich 50 Milliarden EUR Schaden durch Falschberatung im Finanzdienstleistungsbereich – ein Problem, das nicht selten für einzelne Menschen existenzbedrohende Folgen hat. Doch gerade mit Blick auf die Altersvorsorge erfährt auch der deutsche Wohlfahrtsstaat durch Vermögensverluste dieser Art hohe gesamtgesellschaftliche Belastungen. In einer Zeit des demografischen Wandels, in der die private Vorsorge eine immer wichtigere Säule im Kampf gegen Altersarmut darstellt, ist die Suche nach möglichen Lösungen für dieses Problem essentiell.
Falschberatung entsteht neben menschlichem Versagen vor allem durch Fehlanreize des Beraters oder der Beraterin – wie dem Verkaufsanreiz in einem provisionsbasierten Beratungsmodell. Die Honorarberatung setzt genau an diesem Fehlanreiz an und entkoppelt die eigentliche Beratung vom Verkauf, indem Kundinnen und Kunden ein Honorar für die Beratungsleistung entrichten und nicht für den Produktkauf bezahlen.
Das Potential dieser alternativen Beratungsform hat auch die Bundesregierung erkannt und Ende 2013 die Förderung der Honorarberatung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Daher stellt sich sechs Jahre später angesichts erster positiver Erfahrungen mit Provisionsverboten in Großbritannien und den Niederlanden die Frage, warum die Honorarberatung trotz des seit der Finanzkrise gewachsenen Misstrauens der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Banken und des politisch motivierten Förderversuchs, weiterhin ein Nischendasein fristet.
Dabei soll folgenden Forschungsfragen nachgegangen werden:
- Welche Probleme und Hemmnisse ergeben sich aus Sicht der Beraterinnen und Berater unter der gegebenen Regulierung in der Honorarberatung?
- Welche Anpassungen sollten in der Regulierung erfolgen, um die Honorarberatung effizienter zu fördern und sie damit langfristig zu einer gleichberechtigten Alternative auszubauen?
Erarbeitet werden sollen diese Erkenntnisse in einem ersten Schritt anhand von leitfadengestützten Tiefeninterviews. Auf Basis der daraus gewonnenen Einsichten soll ein standardisierter Fragebogen entwickelt werden, mit dem die aktuelle Situation auf breiterer Basis evaluiert und Optimierungsvorschläge abgeleitet werden können.
Literatur
Oehler, Andreas. 2012. Die Verbraucherwirklichkeit: Mehr als 50 Milliarden Euro Schäden jährlich bei Altersvorsorge und Verbraucherfinanzen. Befunde, Handlungsempfehlungen und Lösungsmöglichkeiten, Bamberg.
Schutz oder Verunsicherung? – Der Umgang des Verbrauchers mit der Datenschutzgrundverordnung
Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Dr. Michael Schuhen (Universität Siegen) | Prof. Dr. Gunnar Mau (Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport)
Um Online-Angebote und -Dienste nutzen zu können, werden Verbraucherinnen und Verbraucher vermehrt dazu angehalten, personenbezogene Daten elektronisch preis zu geben. Damit steigt gleichzeitig der Bedarf, solche Daten intensiver zu schützen. Um einen souveränen Umgang mit und im Internet zu gewährleisten, soll die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) helfen. Absicht ist, das Datenschutzrecht auf das heute notwendige Level anzupassen und einen übernationalen Geltungsrahmen im Bereich des Datenschutzes zu festigen.
Die DSGVO ist seit dem 25. Mai 2018 wirksam und stellt alle Akteure, z. B. Unternehmen, Vereine, Arztpraxen oder auch den Einzelhandel vor neue Herausforderungen und Probleme. Gewerbliche Unternehmen wurden ebenso wie gemeinnützige Akteure dazu angehalten, die Verbraucherinnen und Verbrauchern über die veränderten Rahmenbedingungen im Rahmen des Umgangs mit personenbezogenen Daten zu informieren und aufzuklären. Ziel der DSGVO ist es, natürliche Personen in mehreren Bereichen zu schützen: Zum einen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten, die Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten und zum anderen darf der freie Verkehr personenbezogener Daten in der Union bei der Verarbeitung personenbezogener Daten weder eingeschränkt noch verboten werden. Es stellt sich nun jedoch die Frage, ob diese Ziele tatsächlich eingetroffen sind.
- Haben Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt eine Vorstellung davon, was sich konkret verändert hat und welche Rechte sie haben?
- Oder werden die neuen Ausführungen der Unternehmen, Vereine oder Ärztinnen und Ärzte auf Basis der DSGVO in Vertrauen auf die neue Schutzordnung unterschrieben und schlicht überflogen, weil Verbraucherinnen und Verbraucher die Dienste weiterhin in Anspruch nehmen wollen?
In der Literatur lassen sich bisher wenige bis nahezu keine Studien zu Verbraucherschutzaspekten im Kontext der DSGVO finden, insbesondere nicht solche, welche die Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher selbst berücksichtigen. Dadurch, dass die Datenschutzbestimmungen im heutigen Zeitalter immer spezifischer werden, ist es aus Verbraucherschutzperspektive problematisch, dass weder die Treiber und Barrieren, die dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Gesetz wie der DSGVO umgehen können, noch die potenziellen Verunsicherungen für Verbraucherinnen und Verbraucher durch eine möglicherweise nicht eindeutige Kommunikation der Verordnung in ausreichender Form bekannt und im Hinblick auf ihre Relevanz und Tragkraft beforscht sind. In diesem Rahmen wird die Notwendigkeit dieses Forschungsvorhabens deutlich, in welchem der Umgang der Verbraucherinnen und Verbraucher mit der DSGVO analysiert werden soll, um nicht direkt ersichtliche oder zentrale Probleme und Hindernisse sowie erforderliche Maßnahmen bei der Einführung derartiger Gesetze abzuleiten. Die Befunde des Forschungsvorhabens sollen weiterhin dabei helfen, Verbraucherschutzaspekte zu identifizieren, Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu verstehen, sie in ihrer Rolle als aktive Konsumentinnen und Konsumenten mit konkreten Maßnahmen zu unterstützen und auch mögliche Barrieren und Risiken, wie beispielsweise mangelnde Transparenz oder ungewollte Datennutzung, zu berücksichtigen und zu minimieren.
Digitale Verbraucherakkulturation: Transformation von Unterstützungsstrukturen und Bewältigungspraktiken im Kontext sozioökonomischer Krisenkonstellationen
Dr. Katharina Witterhold, Prof. Dr. Sigrid Baringhorst (Universität Siegen)
Ausgangspunkt des Projekts ist die These, dass die Inanspruchnahme digitaler Einkaufs- und Informationsgelegenheiten längst keinen optionalen Charakter mehr innehat, sondern sich aus unterschiedlichen Gründen (z. B. Verlagerung des Angebots auf Online-Märkte, Umgang mit ausdifferenziertem Marktangebot und entsprechend Entwicklung eines digital gestützten Informationsmanagements sowie Kostenreduktion) als Notwendigkeit darstellt. Dies beinhaltet Herausforderungen insbesondere für Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich mit digitalen Märkten bislang kaum auseinandergesetzt haben – z. B. Kinder, Senioren und Menschen, deren Medien- und Konsumsozialisation in Ländern mit einem anderen Digitalitätsprofil (bspw. starker Fokus auf Social-Web-Nutzung, keine Verfügbarkeit von Online-Shopping) stattgefunden hat. Für Letztere birgt der Umgang mit dem neuen digitalen Marktumfeld spezifische Hürden, gerade weil bereits Kompetenzen in Bezug auf Konsum und Medien vorhanden sind, deren nahtlose Anschlussfähigkeit nicht immer gegeben ist. Die Interaktion zwischen den verschiedenen Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern online wird dabei als genuiner Bestandteil von (Konsum-)Sozialisation verstanden, eine Perspektive, die in diesem Projekt auf Basis von Mediatisierungs- und Sozialisationstheorie einerseits sowie Verbraucherakkulturationsforschung andererseits theoretisch entwickelt werden soll.
Darauf aufbauend ist die Entwicklung eines Projektantrags geplant, in dessen Fokus die Interaktion zwischen neuen Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie (potentiellen) Unterstützerinnen und Unterstützern, aber vor allem auch Unternehmen, stehen soll und in dessen Rahmen u. a. normative Erwartungen an Verbraucher- und Unternehmerhandeln sowie wechselseitige Anpassungsleistungen rekonstruiert werden. Empirisch schließt diese Forschungsarbeit an das aktuell an der Universität in Siegen durchgeführte Projekt "Verbraucherschutz und Konsumsozialisation von Geflüchteten" an, in dessen Rahmen erst kürzlich der Abschluss-Workshop zum Thema Verbraucherakkulturation Geflüchteter stattfand (Veranstaltungsdokumentation). Impulse aus der Diskussion mit den internationalen Expertinnen und Experten werden ebenfalls im Rahmen des Projekts aufgegriffen und weiterentwickelt.