Nachwuchsförderpreise Verbraucherforschung NRW 2018 verliehen

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Zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universitäten Bielefeld und Paderborn sind am 16. November 2018 mit dem "Nachwuchsförderpreis Verbraucherforschung 2018‟ ausgezeichnet worden.

Der Nachwuchspreis richtet sich an junge Forscherinnen und Forscher, die sich in ihren Abschlussarbeiten mit Verbraucherforschung, Verbraucherschutz oder verbraucherpolitischem Handeln beschäftigt haben. In diesem Jahr werden zwei Wissenschaftlerinnen aus Paderborn und Bielefeld für ihre Dissertationen mit je 5.000 Euro ausgezeichnet. Die Preise wurden im Rahmen des Workshops „Konsumästhetik zwischen Kunst, Kritik und Kennerschaft" durch Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser überreicht.

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Laudatio von Prof. Dr. Angela Häußler

Für beide in diesem Jahr ausgezeichneten Forschungsarbeiten ist die besondere gesellschaftliche Relevanz zu betonen. Wir brauchen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die sich analytisch, kritisch und lösungsorientiert mit den gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen. Dies hat auch Frau Ministerin Heinen-Esser mit ihren Worten eben deutlich gemacht und die Relevanz beider Themen für die Politik betont.

Die Entstehung von Lebensmittelabfällen in Care-Einrichtungen - Deskription situativer Bedingungen und Herleitung von Gestaltungsempfehlungen mit Hilfe des pragmatisch-situativen Ansatzes der Organisationstheorien

Nachwuchsförderpreis2018 KVF Gebauer Verleihung
(v.l.n.r.): Dr. Christine Göbel, Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser, Thorsten Menne (Gruppenleiter im Wissenschaftsministerium), Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski. Bild: Gebauer / VZ NRW.

Frau Dr. Christine Göbel hat sich in ihrer Dissertation „Die Entstehung von Lebensmittelabfällen in Care-Einrichtungen - Deskription situativer Bedingungen und Herleitung von Gestaltungsempfehlungen mit Hilfe des pragmatisch-situativen Ansatzes der Organisationstheorien“ mit dem schon seit Jahren in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit präsenten Problem des Lebensmittelabfalls befasst. Daher ist sie natürlich nicht die erste, die sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit diesem Thema befasst. Aber alle Gutachterinnen und Gutachter bescheinigen ihr, dass sie mit dieser Anfang des Jahres abgeschlossenen innovativen Arbeit eine relevante Forschungslücke füllt. Wenn die Daten, die ich zu den Anfängen Ihrer Arbeit finden konnte, stimmen, haben Sie das Thema nach dem Erscheinen des Films „Taste the Waste“ im Jahr 2011 recht schnell aufgegriffen und zum Gegenstand Ihrer Forschung gemacht. Aus ihrer Zeit als Mitarbeiterin der Vernetzungsstelle Schulverpflegung in Schleswig-Holstein hat Frau Dr. Göbel die Organisationsstrukturen in der Gemeinschaftsgastronomie auch aus einer anderen als der Forscherinnenperspektive kennengelernt. Die zielgerichtete und lösungsorientierte Forschungsarbeit ist sicher mit ihren persönlichen Einblicken in Versorgungseinrichtungen zu erklären.

Es ging Frau Göbel darum, genau zu verstehen, wo und warum Lebensmittelabfall in Einrichtungen der Gemeinschaftsgastronomie anfällt um Ansätze zu finden, diese zu reduzieren. Dazu hat sie in fünf Krankenhäusern und fünf Seniorenheimen jeweils mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interviewt und aufschlussreiche Einblicke gewinnen können. So kann sie zum Beispiel eindrucksvoll nachweisen, dass Kommunikation eine ganz zentrale Rolle spielt, beispielsweise zwischen Küche und Pflegeteam, wenn bei Entlassungen das Essen nicht abbestellt wird. An Zitaten aus den Interviews ist auch erkennbar, dass bei hoher Arbeitsbelastung in der Pflege die Kommunikation zur Speisenversorgung als erstes aus dem Blick gerät. Auch wenn diese Einblicke ausgesprochen interessant sind - es würde den Rahmen einer Laudatio sprengen, sie hier ausführlich vorzustellen. Aber erwähnenswert ist sicher die empirisch basierte Schlussfolgerung und Gestaltungempfehlung, dass von einer Umorganisation der Abläufe mit erkennbarem Problembewusstsein eine deutliche Reduktion des Lebensmittelabfalls zu erwarten ist. Wie in vielen Situation, es ist für vieles gut, wenn man miteinander redet.

Aus der Sicht der Gutachter und Gutachterinnen ein Ergebnis von wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Für die Preiswürdigkeit formuliert das Gutachtergremium die Begründung: „Durch die gründliche Erarbeitung der theoretischen Grundlagen, des Stands der Forschung und durch die geeignete methodische Vorgehensweise werden die situativen Ursachen für die Entstehung von Lebensmittelabfall erkannt und beschrieben. Der methodische Ansatz ist überzeugend.“

Patientenpartizipation aus Sicht der Pflege. Eine Analyse der häuslichen Versorgung von Menschen mit Multimorbidität

Nachwuchsförderpreis2018 KVF Gebauer Verleihung
(v.l.n.r.): Dr. Melanie Messer, Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser, Thorsten Menne (Gruppenleiter im Wissenschaftsministerium), Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski. Bild: Gebauer / VZ NRW.

Frau Dr. Melanie Messer ist die zweite Wissenschaftlerin, die heute mit dem Nachwuchsförderpreis Verbraucherforschung ausgezeichnet wird. Diese ist ebenfalls im Bereich des Themas Care angesiedelt, beleuchtet jedoch einen ganz anderen Aspekt. Frau Dr. Melanie Messer hat sich in ihrer Dissertation „Patientenpartizipation aus Sicht der Pflege. Eine Analyse der häuslichen Versorgung von Menschen mit Multimorbidität“ intensiv mit einer hochvulnerablen Verbrauchergruppe beschäftigt. Pflegebedürftige Menschen sind von anderen abhängig, haben aber natürlich eine Vorstellung von ihren Bedürfnissen sowie das Recht als Mensch und in ihrer Rolle als Verbraucher, an Entscheidungen und Gestaltung ihrer eigenen Versorgung durch ambulante Pflegedienste zu partizipieren. Ich denke, viele von uns haben im persönlichen und familiären Umfeld Erfahrungen mit den schwierigen und oft für alle Beteiligten nicht immer bedarfsgerechten Pflegesettings gemacht. Es ist aus meiner Sicht sofort einleuchtend, dass die Fragen nach Partizipationsmöglichkeiten und -bedingungen von pflegebedürftigen Menschen direkt mit ihrer Lebensqualität korrelieren, obwohl - oder gerade auch weil - die Lebensumstände schwierig sind. Und da es sich bei der häuslichen Pflege um eine Dienstleistung handelt, hat die Beziehungsgestaltung zwischen Anbieterin bzw. Anbieter und Kundin bzw. Kunde durchaus auch eine verbraucherpolitische Implikation.

Frau Messer interessiert es in ihrer Forschung, wie es beruflich Pflegende mit der Patientenpartizipation halten und welche Vorstellungen sie davon haben. Dazu hat sie viele Interviews mit ambulanten Pflegerinnen und Pflegern geführt und konnte auf dieser Grundlage eine Typologie im Hinblick auf das Beziehungs- und Partizipationsverständnis den Pflegerinnen und Pflegern entwickeln. Dabei wird deutlich, dass das Rollenverständnis der Beteiligten von Bedeutung ist. So berichten die Pflegenden, dass sie als Dienstleiterinnen und Dienstleister mit ihrem pflegerischen Auftrag der Patientenaktivierung in Konflikt geraten, wenn die Patientinnen bzw. Patienten oder deren Angehörigen verlangen, dass alle Tätigkeiten abgenommen werden, weil ja viel für die Dienstleistung bezahlt wird.

Es ist wird der Komplexität der Arbeit sicher nicht gerecht, diese auf eine knackige Kernbotschaft herunter zu brechen. Aber auch in dieser Arbeit zeigt sich, dass die Organisations- und Kommunikationsstruktur in der häuslichen Pflege eine wesentliche Rolle spielt.
Bei dieser Arbeit hat uns sowohl die ausgesprochen umfassende Erarbeitung des Forschungsstands, das gründliche methodische Vorgehen als auch eine breite theoretische Fundierung ihrer Forschungsergebnisse beeindruckt.

Begründung im Protokoll: „Die Interaktion zwischen der Pflegekraft und Patienten im Hinblick auf heterogene Vorstellungen von Partizipationsmöglichkeiten sowie das Dienstleistungsverständnis wird facettenreich empirisch beschrieben und analysiert. Die Arbeit überzeugt durch ihren stringenten theoretischen Zugang“.