Der digitale Marktwächter: Überwachung des Einsatzes individualisierter Preise
Prof. Dr. Sarah Hosell (Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft, Campus Köln) und Prof. Dr. Michael Schleusener (Hochschule Niederrhein)
Die umfangreiche Sammlung von Verbraucherdaten insbesondere beim Einkaufen im Internet wird bereits seit einiger Zeit kritisch diskutiert. Ein Aspekt in dieser Diskussion ist die Überlegung, dass aus den vorliegenden Informationen über die Verbraucher deren Preisbereitschaften für Produkte und Dienstleistungen abgeleitet werden kann. Auf dieser Basis könnten die Anbieter mit personalisierten, d.h. individuellen Preisen für einzelne Verbraucher arbeiten. So wird beispielsweise bei einigen Autovermietungen die unterschiedliche Berücksichtigung von Zahlungsbereitschaften der einzelnen Verbraucher nicht nur auf der Basis des wahrgenommenen, subjektiven Produktwertes sondern auch auf Basis von Geoinformationen, die automatisch aus der IP-Adresse ausgelesen wurden, vorgenommen. Die Europäische Kommission rief in einem Schreiben an die Geschäftsführer von sechs großen Autovermietern im Juli 2014 zur Einstellung dieser Diskriminierung auf, es dürfe keine Diskriminierung aufgrund des Wohnortes geben (Europäische Kommission 2014).
Aus Sicht der Verbraucherpolitik besteht die Notwendigkeit, die Entwicklung dieser Preispolitik der Unternehmen zu beobachten und bei einer potenziellen Benachteiligung von Konsumenten eingreifen zu können. Die Verbraucherzentralen haben mit ihrem Marktwächterprogramm eine Überwachung der Händler auf Basis von eingehenden Hinweisen der Nutzer gestartet. Gleichzeitig lassen sich individuelle Preise auch über gezielt gesteuerte Preisabfragen bei den Händlern identifizieren, wie in diversen Ansätzen gezeigt wurde.
Ziel des Projektes ist, die Entwicklung eines Prototyps einer technischen Lösung zur automatisierten Überprüfung der Nutzung von individualisierten Preisangeboten im Internet, wobei automatisiert verschiedene simulierte Nutzerdaten/-informationen eingespeist werden und die Reaktion anhand von unterschiedlichen Angebots-, Preis- und Suchergebnissen protokoliert wird. Dieser Prototyp soll die Basis für die Funktion eines digitalen Marktwächters sein. Dieser "digitale Preiswächter" soll es dem Verbraucherschutz ermöglichen von der passiven Haltung des Wartens auf "Anzeigen" von Verbrauchern, zu einer aktiven Beteiligung zu wechseln. Der einzelne Verbraucher ist aufgrund der Komplexität des Themas und auch seiner Intransparenz auf die Aktivität einer Organisation wie der Verbraucherzentralen angewiesen. Durch eine spätere Implementierung des digitalen Marktwächters könnte jeder Verbraucher in die Lage versetzt werden, sich selbst gegen die technologische Übermacht im Internet aufzurüsten.
Der Einfluss von Dynamic Pricing auf das Verbrauchervertrauen und die Einkaufsstättenwahlentscheidung im stationären Lebensmitteleinzelhandel - eine empirische Analyse
Prof. Dr. Peter Kenning (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) und Prof. Dr. Michael Schleusener (Hochschule Niederrhein)
Dynamic Pricing bezeichnet die automatisierte intertemporale Festlegung des optimalen Verkaufspreises für Produkte oder Dienstleistungen mit Hilfe digitaler Technologien. Im Zeitalter der Digitalisierung wird die Nutzung dieses Ansatzes für immer mehr Unternehmen möglich und hat mittlerweile auch den (stationären) Lebensmitteleinzelhandel erreicht, der wiederum ein zentrales verbraucherwissenschaftliches und politisches Bedarfsfeld darstellt. Jedoch sind die mit dieser Entwicklung verbundenen Konsequenzen für das Verbraucherverhalten weitgehend unbekannt.
Die besondere verbraucherwissenschaftliche Relevanz ergibt sich unter anderem daraus, dass durch die zunehmende Entpersonalisierung der Wertschöpfungsketten und die quasi regelmäßigen auftretenden Skandale im Bedarfsfeld der Ernährung der Verbraucher zunehmend verunsichert ist und, in der Folge, zum Teil erhebliche Informationsasymmetrien wahrnimmt. Die daraus resultierende Vertrauensproblematik wird dann oftmals durch verbraucherpolitische Maßnahmen "repariert". Es ist jedoch bereits erkennbar, dass dieser Ansatz keine dauerhafte Lösung darstellen wird. Entsprechend droht bei einer weiteren Komplexitätszunahme und damit einhergehenden Vertrauensproblemen möglicherweise Marktversagen.
Um dem entgegen zu wirken, ist es notwendig, die Wirkungen von Dynamic-Pricing-Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf das Verbrauchervertrauen beurteilen zu können sowie ggf. die für eine Wiederherstellung von Verbrauchervertrauen im LEH relevanten Mechanismen zu erkennen. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Marketingforschung wird das Verbrauchervertrauen dabei als Linearkombination der Faktoren "Competence", "Benevolence" und "Integrity" konzeptualisiert. Da bis dato noch vollkommen unklar ist, welche Wirkungen Maßnahmen und Strategien des Dynamic Pricing auf diese Faktoren haben, steht die theoretisch-fundierte und empirisch-geprüfte Bearbeitung dieser Frage im Zentrum des Projektes.
Aufbau der Untersuchung und des Arbeitsprogrammes
- Analyse der bestehenden Literatur im Bereich der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung im Hinblick auf die möglichen Wirkungen preispolitischer Maßnahmen auf das Kundenvertrauen bzw. die drei genannten Vertrauensdeterminanten (Competence, Benevolence, Integrity).
- Durchführung eines Verbraucherforschungsforums mit dem Ziel, den Ansatz des Dynamic Pricing aus verschiedenen Blickwinkeln (Verbraucherforschung, Verbraucherschutz, Verbraucherrecht sowie Verbraucherpolitik) zu betrachten, um seine möglichen Auswirkungen initial verbraucherwissenschaftlich zu theoretisieren und nach Möglichkeit - nomologisch zu validieren.
- Durchführung einer empirischen Studie um die im zweiten Schritt theoretisierten Zusammenhänge empirisch prüfen und quantifizieren zu können.
Erwartete Ergebnisse des Vorhabens
Auf Basis der Ergebnisse des Vorhabens soll die Studie dazu beitragen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und frühzeitig zu erkennen, ob es im Kontext der Einführung von Dynamic Pricing ex ante regulatorischen Bedarf gibt.
Evaluierung des Energieausweises: Eine empirische Studie zur Wahrnehmung der Energieeffizienz von Wohnimmobilien aus der Verbraucherperspektive
Prof. Dr. Bertram Steininger und Carolin Pommeranz, M.Sc. (RWTH Aachen University)
Zum 1. Mai 2015 endete die Übergangsfrist der durch die Energieeinsparverordnung (ENEV) 2014 und die EU-Richtlinie 2010/31/EU und 2012/27/EU veranlassten Anordnung zur Ausweisung der Energieeffizienz von Gebäuden. Vermieter und Verkäufer sind nun dazu verpflichtet, ihre Immobilie klassifizieren zu lassen, dies in einer Anzeige während der Angebotsphase auszuweisen sowie dem Käufer oder Mieter den Energieausweis vorzuzeigen. Verbrauchern soll so ein einheitliches, kostengünstiges sowie leicht verständliches Instrument bereitgestellt werden, das über energetische Eigenschaften eines Gebäudes aufklärt und in die Miet- oder Kaufentscheidung miteinfließen soll.
Da viele Verbraucher bislang nur über geringe Erfahrungen im Umgang mit dem Energieausweis und seinem Informationswert verfügen, könnte das Bewusstsein für seine Aussagekraft jedoch noch nicht so weit vorangeschritten sein, dass es ein ausschlaggebendes Entscheidungskriterium beim Immobilienerwerb darstellt, obwohl sich daraus ökonomische Nachteile ergeben. Selbst wenn die Energieeffizienz bereits bewusst in den Entscheidungsprozess einfließt, ist jedoch unklar, ob diese nur nachrangig berücksichtigt und durch andere Objekteigenschaften überkompensiert wird.
Im Rahmen des Forschungsprojekts soll daher evaluiert werden, ob ein Jahr nach Einführung der Vorzeigepflicht des Energieausweises Verbraucher für die im Energieausweis enthaltenen Informationen sensibilisiert sind. Um das Problem umfassend zu betrachten, verwenden wir erstmalig ein komplexes Gefüge aus explorativen und empirischen Methoden und Ansätzen. Dieses ermöglicht einerseits die Ableitung von Verbraucherpräferenzen beispielsweise anhand einer Conjoint-Analyse, andererseits aber auch die empirische Bestimmung von Preisprämien bzw. -abschlägen für eine höhere Energieeffizienz durch räumliche Regressionen.
Schließlich soll diese Studie auch Aufschluss darüber geben, ob trotz der gesetzlichen Verankerung des Energieausweises ein Informationsdefizit im Hinblick auf die Energieeffizienz von Wohnimmobilien auftritt und ob Verbraucher bezüglich des Energieausweises weiterer Anleitung und Aufklärung bedürfen, um mehr Marktmacht als Nachfrager zu erzeugen.
Fast Fashion - eine verbraucherorientierte Analyse zur Verringerung des Massenkonsums
Prof. Dr. Gerhard Schewe, Dr. Ansgar Buschmann, Dr. Carolin Tewes (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
In den vergangenen Jahren kann ein immenser Wandel innerhalb der Bekleidungsindustrie konstatiert werden: Der Markt ist übersättigt, Bekleidung wird zur nicht geschätzten Wegwerfware und die Verbraucher verlieren den Sinn für Qualität. In Wissenschaft und Praxis ist das Phänomen unter dem Begriff der "Fast Fashion" seit den 90er-Jahren existent. Kein Thema beherrscht die Bekleidungsindustrie derzeit mehr als dieses. Fast Fashion ist eine Form der Mode, bei innerhalb kürzester Zeit die Looks der Designer und Stars reproduziert und zu günstigen Preisen in den Filialen weltweit angeboten werden. Neben sozialen und ökologischen Problematiken liegt ein immenses Problem der Fast Fashion auch in der Verdrängung des lokalen Handels.
Die Auswirkungen sind deutlich spürbar, heutzutage besitzen Verbraucher viermal mehr Kleidung als noch im Jahr 1980. Die deutschen Konsumenten besitzen 5,2 Milliarden Kleidungsstücke, wovon zwei Milliarden selten oder nie getragen werden. Zusätzlich werden in Europa jährlich 5,8 Millionen Tonnen Bekleidung in den Müll geworfen. Die Qualität der Altkleider verschlechtert sich seit Jahren. Informationen und Trends werden sich zukünftig noch schneller verbreiten. Konsumenten werden über stets mehr Optionen verfügen und entsprechend immer mehr einkaufen. Vielfach geht es den Konsumenten dabei nicht darum, die Kleidung tatsächlich zu tragen, sondern lediglich um den Besitz. Einmal gekauft, liegt sie ungenutzt im Kleiderschrank. Die Wegwerfware Bekleidung wird einen großen Stellenwert einnehmen. Insbesondere die jüngere Generation präferiert Fast-Fashion-Ware für eine größtmögliche Variationsmöglichkeit im Kleiderschrank.
Wie können Verbraucher nun zu einem verantwortungsbewussteren Verhalten bei der Beschaffung, bei der Erhaltung und beim Recycling von Bekleidung animiert werden? Das transdisziplinäre Forschungsprojekt besteht zur Beantwortung dieser Fragstellung aus einem modularen Aufbau (Problemidentifikation/-strukturierung, Problembearbeitung und transdisziplinäre Integration) und gliedert sich in mehrere Phasen. Die Bearbeitung der Teilbereiche des Projekts erfolgt im engen wechselseitigen Bezug. Wissenschaftlich-analytische Problemlösungen werden dabei kombiniert mit Gesellschaftspolitik, Bildung und Kommunikationswissenschaften.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, grundlegende Erkenntnisse über den Bereich der Fast Fashion zu gewinnen, um verbraucherschutzrelevante Leitfäden und Handlungshilfen zu kreieren. Diese können den Verbraucher (jeglicher Altersklasse) unterstützen, sich für diesen Bereich zu sensibilisieren und zu bilden, sodass der Massenkonsum verringert werden kann.