Komfort und Sicherheit oder Überwachung? Die neuen Anforderungen an Verbraucher im "Internet der Dinge"
Prof. Dr. Hans Jürgen Schlösser und Dr. Michael Schuhen (ZöBiS - Zentrum für ökonomische Bildung an der Universität Siegen)
Ein Icon leuchtet im Bordcomputer auf. Die Reparatur eines Bauteils ist fällig, da der Computer festgestellt hat, dass Verschleißteile nicht wie früher aufgrund eines Intervalls getauscht werden müssen, sondern der Verschleiß derart fortgeschritten ist, dass jetzt der Austausch durchgeführt werden sollte. Um dem Fahrer möglichst viel Arbeit abzunehmen, meldet sich der Bordcomputer des Fahrzeugs bei der entsprechenden Werkstatt, damit diese dem Fahrzeughalter Terminvorschläge für einen Reparaturtermin, die ohne Konflikt zu einem bereits im Terminkalender hinterlegten Termin sind, zusenden kann. Dieses Szenario erweckt Assoziationen wie Komfort und Sicherheit ohne eigenen Aufwand wird das Fahrzeug gewartet und bleibt so fahrbereit und sicher. Auch ein vernetzter Herzschrittmacher, der gefährdete Menschen in ihrem Alltag überwacht und lebensbedrohliche Werte unverzüglich und automatisch Ärzten, Krankenhäusern oder Notrufdiensten meldet, lässt das Spektrum an lebensrettenden medizinischen Geräten wie den Herzschrittmacher in einem neuen Licht erscheinen.
Diese Szenarien lassen sich unter dem Konzept "Internet der Dinge" einordnen und sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Wie im Falle des sich selbst überprüfenden Autos und des intelligenten Herzschrittmachers sind im "Internet der Dinge" Alltagsgegenstände über das Internet miteinander vernetzt. Diese Vernetzung ermöglicht es Objekten, Daten mit weiteren Objekten auszutauschen.
Allerdings birgt das "Internet der Dinge" neben Vorteilen wie Komfort und Sicherheit gerade für den Verbraucher auch Risiken. So sollte sich der Fahrzeughalter im Falle des sich selbst überprüfenden Autos beispielsweise darüber im Klaren sein, dass die Werkstatt auf alle Informationen des Bordcomputers zugreifen kann. Auf dieser Grundlage können Werkstatt und Hersteller zum Beispiel auch Rückschlüsse über das Fahrverhalten des Fahrzeughalters ziehen u.a. werden so die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit, das Auffahrverhalten sowie die Motorbelastung transparent. Und darüber hinaus: Wo der Wagen geparkt worden ist vor welchem Supermarkt? -, welche Strecken häufig gefahren worden und wie viele Pausen wo gemacht worden sind. Auch im Falle des vernetzten Herzschrittmachers wird eine Fülle an personenbezogenen Daten an Dritte weitergegebenen. Vor diesem Hintergrund ist es Ärzten, Krankenhäusern und Notrufdiensten beispielsweise auch möglich, ein Aktivitätsprofil der betroffenen Person zu erstellen, das auf aufgezeichneten Tätigkeitswerten wie zügigem Gehen, langem Sitzen oder schnellem Laufen beruht. Um sich auf eine sichere und kompetente Art und Weise im "Internet der Dinge" zu bewegen, muss der Verbraucher somit nicht nur für die Möglichkeiten, sondern auch für die Risiken, die mit einer umfassenden und automatisierten Datenweitergabe verbunden sind, sensibilisiert sein.
Das Zentrum für ökonomische Bildung der Universität Siegen befasst sich mit dieser Thematik, indem es sich zum Ziel gesetzt hat, erstmals den Umgang und die Kompetenz der Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem "Internet der Dinge" in einer explorativen Studie zu untersuchen. Im Vordergrund steht dabei die Fragestellung, wie der Verbraucher mit der Vernetzung von Geräten und der damit verbundenen Unterstützung bis hin zur Abnahme von Entscheidungen durch diese Geräte aktuell umgeht und zukünftig umgehen möchte und wird. In qualitativen und quantitativen Erhebungen sollen die Prozessschritte Datenspeicherung, Datenverarbeitung, Weitergabe von Daten und die Auswertung der Daten im "Internet der Dinge" und Dienste in Szenarien analysiert und mit den Verbrauchern (Probanden) reflektiert werden, damit Rückschlüsse auf deren Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit gezogen werden können. Dahinter steht die Fragestellung, ob der Verbraucher von heute bereits mit der Vernetzung und den entstehenden Möglichkeiten im Rahmen des "Internets der Dinge" umgehen und diese nach seinen Vorstellungen entsprechend gestalten kann.
Regionale Lebensmittel zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Verbrauchererwartungen, Begriffs- und Qualitätsverständnisse regionaler Vermarktungsinitiativen und verbraucherpolitische Implikationen
Prof. Dr. Marcus Mergenthaler und Dr. Luisa Vogt (Fachhochschule Südwestfalen)
Mit dem Wandel des Markts für Lebensmittel von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt mit breitem Angebot und knapper Nachfrage stieg die Bedeutung der Verbraucher nominell stark an. Sind Grundbedürfnisse in Bezug auf Lebensmittel befriedigt, werden zusätzliche Produkt- und Prozesseigenschaften relevant. In den vergangenen Jahren gewann so beispielsweise der Wunsch von Verbrauchern nach einer regionalen Herkunft von Lebensmitteln an Wichtigkeit. Forschungsergebnisse zum Umfang und Bedeutung dieses Trends variieren jedoch. Studienergebnissen zufolge variiert zudem die Bedeutung des Qualitätsindikators (quality cue) Regionalität für eine Kaufentscheidung nach Produktgruppen, speziell im Hinblick auf den Grad der Verarbeitung. Gleichzeitig scheint der Einfluss dieses cue auf die Kaufwahrscheinlichkeit auch mit den Einkaufsstätten (points of sale, POS) zusammenzuhängen. Für Verbraucher in NRW wurde so in einer Studie der Wochenmarkt als "der" POS für regionale Erzeugnisse ermittelt. Hintergrund dieses Resultats ist die eruierte primäre Assoziation von Regionalität der Verbraucher mit einer Entanonymisierung. Weitere Studien machen dagegen andere (mutmaßliche und vermeintliche) Indikanda des Indikators "Regionalität" aus Verbrauchersicht aus, wie beispielsweise ökologische und sensorische Produkt- und Prozessqualitäten.
Dem vagen Interesse der Verbraucher tragen verschiedene Akteure auf der Anbieterseite Rechnung. Wissenschaftler konnten bereits aufzeigen, dass diesen jedoch unterschiedliche Qualitätsverständnisse zu eigen sind, gleichermaßen variierende Abgrenzungen von Regionen und heterogene Auffassungen einer "regionalen" Vermarktung. Die in NRW tätigen Regionalvermarktungsinitiativen (z. B. Schutzgemeinschaften, Zusammenschlüsse landwirtschaftlicher Erzeuger, Gemeinschaftliche Vermarktungsorganisationen usw.) unterscheiden sich so beispielsweise auch deutlich voneinander in Bezug auf "regionale" Produkt- und Prozessmerkmale sowie auf die POS. Verbraucher fühlen sich oft getäuscht, wenn cues wie Regionalität nicht auf Qualitäten verweisen, die sie sich erwarten. Gleichzeitig fühlen sich Akteure in Regionalvermarktungsinitiativen zu Unrecht angegriffen, wenn sie über ihre Regionalitätsdefinitionen transparent informieren. Das beantragte Vorhaben geht über einen empirischen qualitativen Forschungsansatz den Fragen nach, welche Qualitätsattribute Verbraucher(typen) an verschiedenen POS für verschiedene Produkte erwarten, welche Hinweise sie sich wünschen, und inwieweit diese Ansprüche mit jenen von Regionalvermarktungsinitiativen kompatibel sind. Das Forschungsprojekt zielt damit auf einen Abgleich von Verbrauchererwartungen und dem "Qualitätsangebot" von Regionalvermarktungsinitiativen ab. Aus den erwarteten Ergebnissen lassen sich Schlüsse über verbraucherpolitische Handlungsnotwendigkeiten folgern.
Die Rolle des Verbraucherschutzes beim grenzüberschreitenden Online-Handel: Treiber und Barrieren des grenzüberschreitenden Online-Einkaufs aus der Perspektive des Verbrauchers
Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein und Dr. Gerhard Wagner (Universität Siegen)
Das Internet bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, grenzüberschreitend bequem und einfach online einzukaufen und das weltweit. Überschreiten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Online-Einkauf die nationalen Grenzen, so steht ihnen ein wesentlich größerer Markt offen, um Konsumbedürfnisse zu befriedigen nicht nur was die Art und Anzahl verfügbarer Produkte angeht, sondern auch im Hinblick auf potenzielle Preisvorteile. Im Vergleich zum nationalen Online-Einkauf führt die internationale Komponente dazu, dass der grenzüberschreitende Online-Handel für die Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch wesentlich komplexer ist und stellt den Verbraucherschutz vor neue Herausforderungen.
Bisher gibt es nur lückenhafte Forschung zum grenzüberschreitenden Online-Einkauf, speziell aus der Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher. Neue wissenschaftliche Untersuchungen sind daher notwendig, um sowohl dem dynamischen Marktumfeld als auch den laufenden gesetzlichen und regulatorischen Änderungen gerecht zu werden. Insbesondere sollen im Rahmen des Projektes das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher, ihre Motive sowie wahrgenommene Probleme und Barrieren beim grenzüberschreitenden Online-Einkauf erforscht werden, um daraus neue Erkenntnisse für die Verbraucherforschung abzuleiten.
Diese Erkenntnisse sind aus der Perspektive des Verbraucherschutzes von besonderer Relevanz. Insbesondere interessiert dabei, wie Verbraucherinnen und Verbraucher feststellen (können), dass ein grenzüberschreitender Online-Kauf erfolgt, um nicht unbeabsichtigt internationale Online-Käufe zu tätigen mit all ihren potenziellen Problemfeldern. Auch gilt es zu erforschen, welche Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher relevant und hilfreich sind, um eine fundierte Entscheidung beim Online-Shopping in anderen Ländern treffen zu können. Als Datengrundlage sollen repräsentative Verbraucher- und Verbraucherinnenbefragungen durchgeführt werden.
Die Zielsetzung des Projektes liegt somit darin, relevante und praktikable Implikationen für den Verbraucherschutz zu liefern. Dabei soll die Frage beantwortet werden, welche Rolle Verbraucherschutz, rechtliche Rahmenbedingungen und Politik beim grenzüberschreitenden Online-Einkauf spielen sollten, um hierdurch geeignete Bedingungen für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, die Potenziale und Vorteile von Auslands-Online-Käufen optimal nutzen und die Nachteile möglichst objektiv beurteilen zu können.
Herausforderungen und Potenzial eines nachhaltigen und resilienten urbanen Ernährungssystems in der Stadt Köln: Bestandsaufnahme, Problemanalyse, Weiterentwicklung
Prof. Dr. Wiltrud Terlau, Dr. Darya Hirsch (IZNE - Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Campus Sankt Augustin), Zoe Heuschkel (Fachhochschule Südwestfalen, Standort Soest) sowie Vertreter des Ernährungsrates Köln und des Umweltamtes Köln
Anlass für die Studie ist die Gründung des Ernährungsrates im März 2015 in Köln sowie die Unterzeichnung des Milan Urban Food Policy Pact (MUFPP) der Kommunalverwaltung der Stadt Köln und die damit verbundene Zustimmung der Stadt Köln , regionale Ernährungspolitik in der Metropolregion Köln und Umgebung aktiv auszurichten. Um die selbstgewählten Ziele nachhaltiger urbaner Ernährungssysteme zu erreichen, ist der Stadt Köln auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure in den entsprechenden Arenen angewiesen. Bislang ist über die Akteure städtischer Ernährungssysteme nur wenig bekannt und ihre Integration in die urbane Ernährungsversorgung nur unzureichend untersucht.
Ziel des Vorhabens ist es, wissenschaftliche und praxisrelevante Beiträge zu verbrauchspolitischen Handeln und der Verbraucherbildung am Beispiel der Entstehung urbaner Ernährungspolitik der Stadt Köln liefern. Das geplante Forschungsvorhaben verwendet einen Multi-Methoden Ansatz, der die systematische Aufbereitung der relevanten wissenschaftlichen Literatur mit verschiedenen qualitativen Verfahren verbindet.
Das Forschungsvorhaben wird in folgenden Arbeitsschritten, in einem Konsortium bestehend aus den zwei o.a. Hochschuleinrichtungen, der Ausschüsse des Ernährungsrats Kölns und Vertretern der kommunalen Verwaltung Stadt Köln, realisiert:
- Bestandsaufnahme auf Ebene des Ernährungsrates Köln über die verschiedenen kommunalen Tätigkeitsfelder: Der Ernährungsrat Köln arbeitet in vier Ausschüssen (Regionale Direktvermarktung, Ernährungsbildung und Schulverpflegung, Urbane Landwirtschaft/Essbare Stadt, Gastronomie und Lebensmittelhandwerk). In diesem Arbeitspaket werden die Akteure (und Ämter) der kommunalen Politik und Verwaltung identifiziert, die sich für die Ernährungspolitik aktiv/passiv einsetzen bzw. relevant sind und (nicht)sensible Themen eruiert.
- Analyse der aktuellen Kommunalpolitik in Bezug auf das Kölner Ernährungssystem: Auf Grundlage der o.a. Bestandsaufnahme wird die derzeitige Entwicklung eines nachhaltigen und regionalen Ernährungssystems und ihrer kommunalen Akteure in Köln aufgenommen (z.B. die Definition der Vision 2025 und Formulierung der Kölner Ernährungsstrategie)
- Analyse der Sichtweisen und Bedürfnisse der Produzenten und urbanen Gärtner (Verbrauchern/Prosumenten) bezüglich der aktuellen städtischen Ernährungsversorgung und ihre gewünschte Entwicklung: Dieser Arbeitsschritt bezweckt die Bestandsaufname und Identifikation der Sichtweisen und Perspektiven anderer relevanter Akteure wie z.B. Landwirte, Gastronomen, Lebensmittelhersteller, engagierte BürgerIinnen, die in der Kölner Ernährungspolitik unabdingbar sind.
- Erarbeitung konsensorientierter Lösungen für konkrete und unmittelbare Maßnahmen, die eine nachhaltige regionale Lebensmittelversorgung in Köln formen können.
Informationen zum Projekt:
Webauftritt des Projekts
IZNE
Zoe Heuschkel
Ernährungsrat Köln