Verbraucherschutz durch Mitentscheidung bei Online-Verträgen
Professor Dr. Rainer Böhme und Professorin Dr. Franziska Boehm (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Übergeordnetes Ziel des interdisziplinären Vorhabens von Juristen und Wirtschaftsinformatikern ist, Einwilligungsdialoge im Internet zu erforschen, die es Verbrauchern erlauben, ihren Willen durch Streichungen in einem vom Anbieter vorgeschlagenen Formvertragstext auszudrücken. Es soll herausgefunden werden, ob die beabsichtige Förderung der Selbstbestimmung der Verbraucher und Rückgewinnung der Möglichkeit, auf abzuschließende Verträge wieder Einfluss zu haben (d. h. Abkehr von Alles-oder-Nichts-Entscheidungen), praktikabel ist und damit gegebenenfalls Bestandteil zukünftiger Verbraucherschutzregulierung werden könnte.
Das Vorhaben geht insbesondere auf Bedürfnisse verantwortungsvoller und verletzlicher Verbraucher ein. Bei den Vertragsbestandteilen werden allgemeine und - im Internet besonders relevant - datenschutzspezifische Klauseln berücksichtigt. Darüber hinaus sollen auch weitere Vertragsbestimmungen, die sich für Streichungen eignen, identifiziert und untersucht werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Bezügen zur Informationsproblematik. Das Vorhaben behandelt drei Forschungsfragen:
- Wie sollte die Benutzerschnittstelle beschaffen sein und präsentiert werden, um von Verbrauchern in der intendierten Form verstanden und genutzt zu werden?
- Bleibt der mit den Einwirkungsmöglichkeiten der Verbraucher verbundene zusätzliche Aufwand füir die Anbieter zumutbar?
- Wie kann der Vertragsabschluss über die Benutzerschnittstelle juristisch eingeordnet werden, welche neuen Risiken entstehen und wo gibt es Regelungsbedarf?
Im Projektverlauf wird ein funktionsfähiger Prototyp entwickelt, qualitative und quantitativ-empirische Nutzerstudien mit Testpersonen aus den angesprochenen Verbrauchertypen durchgeführt, die Realisierbarkeit auf Anbieterseite untersucht und eine juristische Einschätzung erstellt.
Graswurzelbewegungen auf die Füße geschaut – Oder: Gemeinsam gegen die Verschwendung: Identifizierung von Motiven und Erfolgsfaktoren in Deutschland und Frankreich
Dr. Nina Langen (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
Ethischer Konsum erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Dies zeigen nicht nur die steigenden Marktanteile für biologisch erzeugte oder fair gehandelte Produkte. Auch wissenschaftliche Studien belegen, dass es den Konsumenten wichtig ist zu wissen, wie sie durch bewusstes Einkaufen und Nutzen von Dingen die Umweltwirkungen des eigenen Handelns und den Verbrauch von Ressourcen minimieren können.
Seit dem Jahr 2010 wird in Deutschland vermehrt das Thema Nahrungsmittelverschwendung diskutiert. Es steht nicht nur auf der politischen Agenda weit oben. Auch die Medien haben sich des Themas angenommen. Vor 2010 war das Thema Klimawandel en vogue und davon profitierten alle diejenigen die sich die Verringerung der CO2-Emissionen zum Ziel gemacht hatten.
Beide in der Öffentlichkeit, der Politik und den Medien diskutierten Themen (Lebensmittelverschwendung und CO2) haben ihre Entsprechung in Graswurzelbewegungen gefunden. Für das Thema CO2-Reduzierung durch aktiven Konsum ist die Carrotmob-Bewegung ein Beispiel. Die Foodsharing Initiative hat das Ringen um die Verringerung von Lebensmittelverschwendung aufgegriffen. Aber auch andere Themen, wie Mode, werden vermehrt unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten diskutiert und entsprechend finden sich auch dort soziale Bewegungen, die durch z. B. Kleidertausch einen Beitrag zur Ressourcenschonung machen möchten.
Bislang ist nur wenig bekannt über die Werte und Normen, die Einstellungen und soziodemografischen Faktoren, die dazu führen, dass sich Menschen dafür begeistern sich in solchen sozialen Netzwerken zu engagieren. Da aber genau diese Bottom-up-Bewegungen wichtig für nachhaltigen Konsum sind, weil sie ihn ja ein einzelnen Bereichen nicht nur erleichtern sondern sogar erst ermöglichen, sollen drei ausgewählte Bewegungen Gegenstand der Forschung sein. Darüber hinaus kann erwartet werden, dass das gesellschaftliche Framing von besonderer Relevanz ist für den Erfolg bzw. Misserfolg sozialer Bewegungen. Deshalb soll ein Ländervergleich zwischen Deutschland und Frankreich erfolgen.
Die Arbeit ist für die Verbraucherforschung, den Verbraucherschutz und verbraucherpolitisches Handeln gleichermaßen von Bedeutung. Graswurzelbewegungen im nachhaltigen Konsum sind bislang nur unzureichend untersucht. Die Arbeit wird hier eine Lücke schließen. Der Verbraucherschutz profitiert von den Ergebnissen insofern, als dass die Motive der engagierten Verbraucher offengelegt werden. Da die Belange und Interessen der Verbraucher nur dann wirksam und erfolgreich geschützt und vertreten werden können, wenn sie bekannt sind, ist diese Arbeit unverzichtbar. Denn es wird ein sehr junges Feld von Verbraucherverhalten betrachtet das zu einem großen Teil im Internet stattfindet.
Landkarten der Transformationspotentiale nachhaltiger Konsummuster
Professorin Dr. Christa Liedtke (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie)
Kooperationspartner: Professorin Dr. Kirsten Schlegel-Matthies (Universität Paderborn) und Michael Schipperges, Dipl. Pol., M. A. in International Affairs (Sociodimensions Institute for Socio-Cultural Research, Heidelberg und Deutsche Universität für Weiterbildung, Berlin)
Beteiligte Wissenschaftlerinnen: Dr. Maria J. Welfens, Dr. Carolin Baedeker und Dipl.-Oecotroph. Melanie Lukas, M.Sc (alle Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie)
Die täglichen Konsumentscheidungen und deren Auswirkungen verlangen nach umfassenden Gestaltungskompetenzen im Alltag, sei es im Haushalt, im Beruf oder in der Freizeit. Verbraucherinnen und Verbraucher übernehmen häufig mit ihren Entscheidungen eine tragende Rolle in der Ausrichtung der Märkte und bei der Gestaltung der eigenen Umwelt, ob bewusst oder unbewusst. Demzufolge spielen Verbraucherinnen und Verbraucher eine zentrale Rolle in der Gestaltung der nachhaltigen Entwicklung. Sie benötigten an dieser Stelle grundlegende Kompetenzen, aber vor allem Empfehlungen für richtungssichere Handlungswege, die sie betreten können, um nachhaltige Verhaltensmuster im Alltag zu etablieren. Doch häufig verharren an dieser Stelle wissenschaftliche Erkenntnisse in abstrakten Beschreibungen, formulieren wenig alltagsrelevante Handlungskonzepte und blenden die komplexe Handlungsstruktur des Verbrauchsalltags mit den täglichen Entscheidungsmustern und Einflüssen aus. Als Konsequenz daraus zeigt sich bis heute, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren Routinen verharren und nur wenig Orientierungshilfen haben, um sich in ihrem eigenen komplexen Alltag zurecht zu finden.
Vor diesem Hintergrund wird das Projekt eine explorative Erkundung dieser Problemstellung im Handlungsalltag anstreben. Das Ziel des Forschungsvorhabens besteht in der Entwicklung und Gestaltung von TRANSITION-Landkarten für nachhaltige Konsummuster im privaten Umfeld. Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Forschungsfragen: Wie können nachhaltige Konsummuster Verbraucherinnen und Verbrauchern nähergebracht werden und wie können Sie dazu ermutigt werden, ihren eigenen Weg zu finden und kompetent Entscheidungen zu treffen? Wie müssen Konsumprofile und Handlungsmuster beschrieben sein und welche Kriterien und Umfeldfaktoren müssen berücksichtigt werden, um realitätsnah zu vermitteln, welche Entscheidungen getroffen werden können. Die zu entwickelnden TRANSITION-Landkarten geben eine Orientierung zum eigenen Umwelt- und Handlungsraum, zeigen verschiedene Handlungswege auf und stärken damit die Kompetenzen, hin zu einer fortschreitenden Assimilation nachhaltiger Konsummuster im Alltag. Dabei fokussiert sich die Untersuchung auf die ressourcenintensiven Handlungsfelder Ernährung, Mobilität und Bauen & Wohnen.
Im ersten Schritt des Projektes wird die wissenschaftliche Basis im Rahmen einer 'desk research' erarbeitet. Das Forschungsprojekt wird dann durch zwei empirische Methoden - den Interviews mit Experten und Change Agents sowie durch die Durchführung eines Workshops - in der Theoriearbeit unterstützt. Aktuelle Ergebnisse aus der nutzerintegrierten Aktionsforschung werden ebenfalls integriert.
Wirkung der Kommunikation von Preiserhöhungen auf das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern
Professorin Dr. Doreén Pick (Ruhr-Universität Bochum)
Kooperationspartner: Professor Dr. Stephan Zielke (Aarhus University, Dänemark)
Das geplante Forschungsprojekt zur Preiskommunikation von Energiedienstleistungsunternehmen setzt an der Zielsetzung an, Kenntnisse darüber bereitzustellen, wie Verbraucherinnen und Verbraucher bei Preiserhöhungen durch Unternehmen informiert werden sollten, um ihnen eine eigenverantwortliche und fundierte Entscheidung für einen Energiedienstleister zu ermöglichen. Kernelement unserer Untersuchung ist erstens die Aufbereitung der jüngsten Versorgerschreiben von Energiedienstleistungsunternehmen und zweitens die Messung der Wirkung der spezifischen (Preiserhöhungs-) Informationen auf das Verbraucherverhalten. Wir erwarten, dass sich die Befunde aus diesem Projekt auf andere Branchen mit vertraglichen Geschäftsbeziehungen, wie z. B. im Telekommunikationssektor, übertragen lassen.
Aufgrund unserer Vorarbeiten nehmen wir an, dass die Art und Weise der Unternehmenskommunikation über Preiserhöhungen das Wechselverhalten von Konsumenten signifikant beeinflusst. Auf Basis der Sichtung erster Versorgerschreiben gehen wir davon aus, dass die Energiedienstleistungsunternehmen in ihren Briefen möglichst viele für sie nachteilige Aspekte (wie den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht oder den Umfang der Preiserhöhung) bewusst vernachlässigen. Zudem zeichnet sich ab, dass Energiedienstleister die Anhebung der EEG-Umlage nutzen, um ihrerseits weitere Preiserhöhungen versteckt einzuführen.
Nach unserem Wissen liegen weder in der Verbrauchermarktforschung, dem Marketing noch in der Praxis breite und fundierte Erkenntnisse darüber vor, wie erstens Unternehmen über ihre Preiserhöhungen informieren und zweitens welchen Einfluss diese Kommunikationsmaßnahmen und die dahinter stehenden Strategien auf das Verbraucherverhalten haben. Zu erwarten ist, dass einige Kommunikationsstrategien die Verbraucherinnen und Verbraucher dazu motivieren, die bestehende Vertragsbeziehung beizubehalten und dabei auf ökonomische und ökologische Vorteile aus einem Anbieterwechsels zu verzichten. Mit dem hoch aktuellen und wirtschaftspolitisch sehr wichtigen Thema zu Strompreiserhöhungen hoffen wir nicht nur wichtige Einblicke und Implikationen für die Verbraucherarbeit und Verbraucherbildung zu geben, sondern auch eine wichtige Forschungslücke in der nationalen und internationalen Verbraucherforschung zu schließen. Auf Basis der Ergebnisse und unter der Prämisse der Zielsetzung, fundierte Kenntnisse über die taktische Kommunikation bei Preiserhöhungen zu gewinnen und das Wechselverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Strommarkt zu erhöhen, sollen Schlussfolgerungen für die Verbraucherinformation und die politische Gestaltung von Informationspflichten zu Preiserhöhungen gezogen werden.
Verbraucherpolitisches Handeln bei wachsenden Manipulationsmöglichkeiten des Verbraucherinteresses durch unkontrollierbare Datenauswertung der Unternehmen
Professor Dr. Michael Schleusener (Hochschule Niederrhein)
Beteiligte Wissenschaftlerinnen: Professorin Dr. Monika Eigenstetter, Sarah Stevens, MA, BSc. und Professorin Dr. Silvia Zahaira (alle Hochschule Niederrhein)
Vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl gesammelter Daten über das Verhalten von Verbrauchern, ihrer Verknüpfung sowie der Nutzung zur gezielten Kaufverhaltensbeeinflussung von Verbrauchern ohne deren Wissen oder Zustimmung ist das übergeordnete Ziel dieses Projekts, einen Beitrag zum Schutz der Verbraucher vor intransparenter Verwendung und Kombination persönlicher Daten zu leisten. Die Ergebnisse dieses Projekts werden einen Beitrag für weitere politische Diskussion liefern und können die Grundlage für mögliches staatliches Handeln sein.
Das Forschungsvorhaben umfasst ein Programm mit sieben Arbeitsschritten:
Zunächst wird das kurz- und mittelfristige Gefährdungspotential durch Eruierung und Auswertung bestehender Sekundärstudien untersucht. Weiterhin wird eine Expertenbefragung konzipiert, durchgeführt und ausgewertet, die die zukünftigen Entwicklungen auf diesem Gebiet ermittelt. Danach wird die Verbraucherperspektive durch die Konzeption und Durchführung einer qualitativen Fokusgruppenuntersuchung erhoben. Es erfolgt eine Identifikation von unterschiedlichen Verbrauchertypen und Verhaltensmustern. Auf dieser Basis werden differenzierte Empfehlungen für die Weiterentwicklung des vorliegenden Konzepts der Verbrauchertypen entwickelt. Des Weiteren werden Empfehlungen für politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zum Schutz der unterschiedlichen Verbrauchertypen ausgearbeitet. Schließlich erfolgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine Aufbereitung für eine mögliche Publikation.
Dieses Forschungsprojekt liefert damit eine Basis zur Identifikation der unterschiedlichen Schutzbedarfe der verschiedenen Verbrauchergruppen. Das Forschungsvorhaben ist für die Entwicklung und Stärkung der Verbraucherforschung hinsichtlich des Schutzes vor Sammlung und Verknüpfung von personenbezogenen Daten mit dem Ziel der Verhaltensmanipulation besonders relevant, da der Zeitpunkt, die Menge und die Verwendung der aufgezeichneten personenbezogenen Daten für den Verbraucher mit hoher Intransparenz verbunden sind. Die Beeinflussung der Verbraucher ohne deren Einverständnis und auch ohne überhaupt deren Kenntnis dieser Tatsache stellt eine neue Herausforderung für die Verbraucherpolitik dar, der diese sich mit Hilfe der Erkenntnisse aus diesem Projekt verstärkt stellen kann.