Rezension: Fairer Welthandel und Konsum

Stand:
Das Fair-Trade-Label ist wichtiger Wegweiser für den verantwortungsvollen Verbraucher - doch was steckt dahinter? Die Ökonomen Michael von Hauff und Katja Claus beschreiben in ihrem Lehrbuch die Geschichte, Theorie und Empirie dieses "Konzepts nachhaltigen Handelns".

Das Fair-Trade-Label ist wichtiger Wegweiser für den verantwortungsvollen Verbraucher - doch was steckt dahinter? Die Ökonomen Michael von Hauff und Katja Claus beschreiben in ihrem Lehrbuch die Geschichte, Theorie und Empirie dieses "Konzepts nachhaltigen Handelns".

Off

Landet ein Produkt mit dem Fair-Trade-Siegel im Einkaufswagen, dann hat der Verbraucher das gute Gefühl, die ethisch richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Symbolkraft ist groß, Konsumenten imaginieren sogar Produkteigenschaften, die nicht mit dem Siegel zusammenhängen. Beispielsweise denken sie, wie unlängst eine US-amerikanische Studie zeigte, dass Fair-Trade-Schokolade weniger Kalorien hat (vgl. Schuldt, Muller und Schwarz 2012). Doch während Fair Trade ein Maßstab für den verantwortungsvollen Verbraucher geworden ist, bleibt die wissenschaftliche Durchdringung des Themas hierzulande überschaubar.

Mit "Fair Trade" haben die Ökonomen Michael von Hauff (Technische Universität Kaiserslautern) und Katja Claus nun erstmals ein Werk vorgelegt, das einen Überblick bietet und deshalb auch als Lehrbuch zu empfehlen ist. Sie stoßen damit in eine Lücke, die sie in der Einleitung so beschreiben: "Obwohl in den vergangenen Jahren [...] eine Vielzahl von Publikationen erschienen ist, gibt es bis heute keine ausreichenden theoretischen und empirischen Erkenntnisse", ob der faire Handel den sozialen und ökologischen Ansprüchen gerecht wird. "Es gibt auch nur unzureichende Erkenntnisse darüber, ob das Konzept für die Produzenten in den Entwicklungsländern vorteilhafter ist als andere Handelskonzepte."

"Fair Trade" ist eine Darstellung des internationalen Handels, der Handelstheorien und der Nachhaltigkeitsforschung, die einen Ansatz bietet, die genannten Defizite zu überwinden. So werden die positiven und negativen Effekte des fairen Handels in ökonomischer, sozialer und ökologischer Perspektive erläutert und das Konzept in die Entwicklungszusammenarbeit eingeordnet.

Für die Perspektive der Verbraucherforschung sind besonders jene Kapitel interessant, die die Entwicklung des Fair-Trade-Gedankens analysieren. Von Hauff und Claus zeigen die Genese des Konzepts von einem Nischenprodukt aus wohltätigen Erwägungen über eine ausdrücklich politische Konsumhaltung (Solidarität) hin zu einer kommerzialisierten Organisationsstruktur. Detailliert wird von den Autoren auch der Mechanismus der Preisbildung beleuchtet, der immer wieder Kritik hervorrief, einerseits, weil so der Markt ausgehebelt werde und Fair Trade einer Subvention gleichkomme, die letztlich zu einer Überproduktion führe, andererseits, weil der Profit der Kleinbauern als zu gering erachtet wird. Gerade dies ist ein Punkt, der für kritische Verbraucher von Bedeutung ist und auch Irritationen auslöst (vgl. Heidbrink und Schmidt 2009, S. 29).

Insgesamt ist "Fair Trade" eine gelungene Übersicht, deren Schwerpunkt auf der Produktion und Distribution liegt. Doch es bietet, auch wenn die Frage der Konsumtion nicht herausgestrichen wird, wichtige Anregungen für die Verbraucherforschung. So betonen die Autoren, dass aufgrund der geringen Nachfrage Supermärkte nur ein eingeschränktes Sortiment fair gehandelter Waren vorrätig halten und diese Produkte nur selten ein preisbewusstes Publikum erreichen, ein Umstand, der durch die Ergebnisse der Verbraucherforschung zum Teil bestätigt werden kann, vorrangig scheint aber die politische Überzeugung die Kaufentscheidung zu beeinflussen (vgl. Pedregal und Ozcaglar-Toulouse 2011).

Zudem heben von Hauff und Claus hervor, dass die Vielzahl von unterschiedlichen Labels für "biologische, organische, ethische und fair gehandelte Produkte" zu einer Verunsicherung der Konsumenten führen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn hinter den Labels verschiedene Standards stecken, etwa im Fall von Mischprodukten. Diese müssen seit Juli 2011 mindestens zwanzig Prozent fair gehandelte Rohstoffe enthalten, um das Siegel zu bekommen, zuvor lag der Wert bei fünfzig Prozent (vgl. Fair Trade e.V. o. J.; Stiebitz 2012).

(Dr. Christian Bala)

Bibliografische Angaben
Hauff, M. v. und Claus, K., 2012. Fair Trade. Ein Konzept nachhaltigen Handels. Konstanz: UVK (ISBN 978-3-8252-3671-7, 264 Seiten, 14,99 Euro).

Literatur

Fair Trade e.V., o. J. Wie viel "fair" muss rein? Online: http://www.fairtrade.de/index.php/sID/7a61da7a46e58ee99c4be88dfbf0030b/lan/de.

Heidbrink, L. und Schmidt, I., 2009. Die neue Verantwortung der Konsumenten. Aus Politik und Zeitgeschichte, (32-33), S. 19-26. Online: http://www.bpb.de/system/files/pdf/26HC72.pdf.

Pedregal, V. D. und Ozcaglar-Toulouse, N., 2011. Why does not everybody purchase fair trade products? The question of the fairness of fair trade products' consumption for consumers. International Journal of Consumer Studies, 35 (6), S. 655-660. Online: http://dx.doi.org/10.1111/j.1470-6431.2010.00990.x.

Schuldt, J. P., Muller, D. und Schwarz, N., 2012. The "Fair Trade" Effect. Social Psychological and Personality Science, 3 (5), S. 581-589. Online: http://dx.doi.org/10.1177/1948550611431643 (siehe auch den Hinweis auf der Webseite des KVF NRW).

Stiebitz, Antje, 2012. Die Zeichen richtig deuten. die tageszeitung, 15.09.2012. Online: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=2012%2F09%2F15%2Fa0218&cHash=3008622dbf9419e646c6e5a472859bf9.